Woher kommt agil?

 

Arbeitest du noch oder agilisierst du schon?

 

Befasst man sich mit dem (IT-) Projektmanagement, ist der Begriff der Agilität unausweichlich.

„Um mit modernen Herausforderungen umgehen zu können, muss man agil arbeiten!“ - doch was genau beinhaltet das agile Arbeiten und ab wann hat man das Gütesiegel der Agilität? Ist man schon agil, wenn man in Sprints arbeitet, sich morgens verschlafen zum Daily trifft oder reicht es schon, ganz viele Post-its auf eine Wand zu kleben und diese von Zeit zu Zeit bewegen?

 

Natürlich gehört zu einer agilen Arbeitsweise wesentlich mehr und trotzdem wird das Wort „Agil“ oft missverstanden. Dabei ist das Grundkonzept des amerikanischen Soziologen Talcott Parsons zur agilen Arbeitsweise bereits seit den 1950er bekannt. Er verwendet AGIL als Akronym, welches vier Fähigkeiten umschreibt:

 

·       Adaptation (Anpassung)

·       Goal Attainment (Zielverfolgung)

·       Integration (Eingliederung)

·       Latency Maintenance (Aufrechterhaltung) [1]

 

Parsons beschreibt dabei diese vier „Grundfunktionen“ als Voraussetzung für Systeme und deren Subsysteme zur Selbsterhaltung bzw. zum Überleben. [2]

Erst durch spätere, auf Parsons Modell aufbauende, Veröffentlichungen in den 80er- und 90er-Jahren wurde Parsons Grundannahme mit dem Wort „agil“ (Agilität) gleichgesetzt und beschreibt die Fähigkeit, schnell auf sich rasch ändernde Umstände zu reagieren.[3]

Der Begriff der Agilität wurde konstant weiterentwickelt und hat sich im Laufe der Zeit immer wieder gewandelt - von der Systemtheorie hin zur Organisationstheorie.  Auch heute noch stehen wir vor der Herausforderung, dass diese Theorien auf komplexe und sich stetig verändernde Anforderungen der Produktions- und Projektprozesse übertragen werden müssen. [4]

 

Als Maßnahme des stetigen Umdenkens wurde das „Agile Manifesto“ geschrieben. Aufbauend auf gesammelten Erfahrungen wurde die zentrale Prämisse aufgestellt, dass eine enge Zusammenarbeit von KundInnen (bzw. NutzerInnen) und EntwicklerInnen und eine ständige Anpassung an Veränderungen, statt langwieriger Planungsvorhaben unausweichlich ist. [5]

 

Agile Werte und Prinzipien

 

Das Agile Manifest beinhaltet 4 Werte und 12 Prinzipien, welche den Rahmen für eine agile Denkweise und ein agiles Vorgehen bilden. [6]

 

 

Frameworks wie Scrum oder Kanban sind somit nicht automatisch agil, sondern sollen dabei helfen eine agile Denkweise zu leben und effektiv umzusetzen. Falsch angewandt können diese aber genauso wie ein klassisches Projektmanagement verwendet werden und den Schein der Agilität vortäuschen. Es ist unabdingbar, sich immer wieder Bewusst zu machen: Agilität beschreibt, wie Systeme oder Individuen denken und handeln können, um in komplexen und sich stetig ändernden Umwelten zu bestehen.

 

Nicht mehr und nicht weniger.

 

 

 

[1] Hartmann / Meyer (2005), S. 149 - 150.

[2] Miebach (2010), S.221 ff.

[3] Vgl. Brown / Agnew (1982), S. 29.

[4] Vgl. Goldman et al. (1996), S. 3 ff.

[5] Vgl. Gloger / Margetich (2014), S. 5 – 7.

[6] Vgl Rad / Turley (2020), S. 7 ff.

 

Literaturverzeichnis

Monographien:

Förster, K. / Wendler, R. (2012): Theorien und Konzepte zu Agilität in Organisationen. 1. Auflage. Dresden: Technische Universität, Fakultät für Wirtschaftswissenschaften

Gloger, B. / Margetich, J. (2014): Das Scrum-Prinzip. Agile Organisationen aufbauen und gestalten. 2. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel

Goldman, S. / Nagel, R. / Preiss, K. / Warnecke, H. (1996): Agil im Wettbewerb. Die Strategie der virtuellen Organisation zum Nutzen des Kunden. 1. Auflage. Berlin: Springer

Hartmann, J. / Meyer, B. (2005): Einführung in die politischen Theorien der Gegenwart. 1. Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften

Lang, M. / Wagner, R. (2021): Das Change Management Workbook. Veränderungen im Unternehmen erfolgreich gestalten. 2. Auflage. München: Carl Hanser Verlag

Miebach, B. (2013): Sozilogische Handlungstheorie. Eine Einführung. 4. Auflage. Berlin: Springer

Rad, N. / Turley, F. (2020): Agile Scrum Handbuch. 1. Auflage. Amersfoort: Van Haren Publishing 

 

Journal:

Brown, J. / Agnew, N. (1982). Corporate Agility. Business Horizons. Volume 25, Issue 2. S. 29-33

Hooper, M./ Steeple, D. / Winters, C. (2001). Costing customer value: an agile approach for the agile enterprise. International Journal of Operations & Production Management, Vol. 21 No. 5/6, pp. 630-644

 

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