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Risikomanagement im Produktmanagement: Ein Leitfaden für Product Owner

 

Die Rolle eines Product Owners ist komplex und erfordert ein breites Spektrum an Fähigkeiten, um sicherzustellen, dass ein Produkt erfolgreich entwickelt und auf den Markt gebracht wird. Eines der entscheidenden Elemente, die oft übersehen werden, ist das Risikomanagement. Das Identifizieren, Bewerten und Bewältigen von Risiken ist jedoch entscheidend, um das Produkt auf Kurs zu halten und unerwartete Probleme zu vermeiden. In diesem Artikel werden wir untersuchen, wie Product Owner erfolgreiches Risikomanagement im Produktmanagement betreiben können und Ableitungen für die Praxis präsentieren.

 

1.    Identifizierung von Risiken

Bevor man Risiken managen kann, ist es wichtig, sie zu verstehen. Product Owner sollten alle potenziellen Risiken, die mit ihrem Produkt verbunden sind, identifizieren und dokumentieren. Diese Risiken können technischer, geschäftlicher oder organisatorischer Natur sein. Ein gründliches Verständnis dieser Risiken ist der erste Schritt zur erfolgreichen Risikobewältigung.

Für die Praxis bedeutet das, dass der Product Owner eine regelmäßige Brainstorming-Sitzung mit den Teammitgliedern organisiert, um mögliche technische Herausforderungen und Engpässe frühzeitig zu identifizieren. Durch offene Diskussionen und Erfahrungsaustausch können versteckte Risiken ans Licht gebracht werden. Die aufkommenden Risiken sollten nach der Identifikation gesammelt werden. Hierfür eignet sich beispielsweise ein Risikobacklog oder eine Risikomatrix.

Ein Beispiel ist für ein identifiziertes Risiko ist eine potenzielle Verzögerung aufgrund von Ressourcenmangel. Der Product Owner optimiert das weitere Vorgehen, bei dem zusätzliche Ressourcen oder Outsourcing-Optionen berücksichtigt werden, um die Auswirkungen zu minimieren. Eine Überarbeitung und Priorisierung der Issues kann hierbei hilfreich sein. Je nach Risiko werden unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten erörtert.

 

2.    Bewertung und Priorisierung von Risiken

Sobald die Risiken identifiziert sind, ist es entscheidend, ihre Auswirkungen und Wahrscheinlichkeiten zu bewerten. Dies ermöglicht es dem Product Owner, Prioritäten zu setzen und sich auf die am dringendsten zu bewältigenden Risiken zu konzentrieren. Die Verwendung von Risikomatrizen, der ROAM-Logik oder anderen Bewertungstools kann dabei hilfreich sein.

Die Risikomatrix wird beispielsweise verwendet, um Risiken basierend auf ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkung auf das Produkt zu bewerten und zu priorisieren. Dies ermöglicht, dass die begrenzten Ressourcen effizient auf die Risiken verteilt werden.

Schritt 1

Weitere Schritte

Die ROAM-Logik stammt aus dem Scaled agile Framework (SAFe) Umfeld und steht als Akronym für die vier Optionen, hinsichtlich des möglichen Umgangs mit den identifizierten Risiken: Resolved, Owned, Accepted oder Mitigated.

 

Einen kurzen Exkurs zur ROAM-Logik findest du am Ende dieses Artikels.

 

3.    Entwicklung von Risikobewältigungsstrategien

Nach der Bewertung der Risiken sollten Product Owner einen klaren Plan entwickeln, um diese Risiken zu managen. Dies kann die Festlegung von Maßnahmen zur Risikoreduzierung, Verantwortlichkeiten oder die Zeitpläne für die Überwachung und das Reporting von Risiken umfassen. Manchmal ist es sinnvoll, Risiken zu vermeiden, indem man bestimmte Produktmerkmale oder -richtungen ändert. In anderen Fällen kann es notwendig sein, Risiken zu reduzieren, indem man gezielte Maßnahmen ergreift, um die Wahrscheinlichkeit oder die Auswirkungen von Risiken zu verringern. Die Entscheidung zwischen Vermeidung und Reduzierung sollte auf einer fundierten Risikoanalyse basieren.

 

In SAFe werden Risiken proaktiv gemanaged. Hierfür gibt es spezielle Praktiken wie beispielsweise das Risk Review bei dem PI (Product Increment) Planning und Risk-Adjusted Backlogs. In dem Risk Review werden identifizierte Risiken überprüft und neue Risiken identifiziert, die sich auf die kommende Projektperiode auswirken können. Risk-Adjusted Backlog bedeutet, dass das Team und der Product Owner bei der Erstellung des Backlogs und der Priorisierung die Auswirkungen von Risiken auf die Planung berücksichtigt.

 

4.    Kommunikation und Transparenz

Product Owner sollten offen und transparent über Risiken kommunizieren. Dies hilft, das Vertrauen der Stakeholder zu stärken und ermöglicht es allen Beteiligten, angemessen auf Risiken zu reagieren. Die regelmäßige Berichterstattung über den Status der Risikobewältigung ist ein wesentlicher Bestandteil dieses Prozesses. Für die Etablierung sollte der Product Owner regelmäßige Meetings mit dem Entwicklungsteam durchführen, um den aktuellen Stand der identifizierten Risiken zu besprechen. Hierfür kann beispielsweise das Ende der regelmäßigen Brainstorming Sitzung genutzt werden. Die offene Diskussion ermöglicht es dem Team, kreative Lösungen für die Bewältigung von Risiken zu entwickeln. Hierbei kann jeder seinen Input geben. Als Alternative zu einem Regeltermin kann auch ein wöchentlicher Risk Report erstellt und geteilt werden. Hierin wird ein Fazit aus der letzten Woche gezogen.

 

Neben den Austauschterminen ist die Freigabe auf die Boards und Risikomatrizen wichtig. Dadurch kann jede*r selbstständig den aktuellen Stand der Risiken einsehen und pflegen. Im Sinne des Commitments ist es hilfreich, Risks bzw. deren Maßnahmen konkret zuzuteilen.

 

5.    Monitoring und Anpassung

Risiken ändern sich im Laufe des Produktlebenszyklus. Daher ist es wichtig, frühzeitig auf Veränderungen zu reagieren und Risiken kontinuierlich zu überwachen. In der Regel verwendet der Product Owner ein Projektmanagement-Tool (Risikomatrix , Jira Reports, TasktopVIZ, …), um den Fortschritt der identifizierten Risiken zu überwachen. Falls ein Risiko auftritt oder sich verschlimmert, kann der Product Owner sofort Gegenmaßnahmen ergreifen, um die Auswirkungen zu minimieren. Das erfordert eine klare Kommunikation und Zusammenarbeit mit dem Entwicklungsteam, Stakeholdern und anderen relevanten Parteien.

 

6.    Lernen aus Erfahrungen

Bei Risikobewältigungsstrategien kommt es manchmal zu Fehlern oder Problemen. Es ist wichtig, diese Erfahrungen zu nutzen, um diese zukünftig zu verbessern. Beispielsweise kann eine Risikodatenbank erstellt werden, in der alle identifizierten Risiken, die angewandten Strategien und die Ergebnisse dokumentiert werden. Bei zukünftigen Projekten kann auf diese Datenbank zurückgegriffen werden, um ähnliche Risiken schneller und effizienter zu bewältigen.Die kontinuierliche Verbesserung des Risikomanagements ist ein Schlüssel zum langfristigen Erfolg.

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Risikomanagement ein wesentlicher Bestandteil der Produktmanagement-Rolle eines Product Owners ist. Durch proaktive Identifikation, Bewertung, Bewältigung und Überwachung von Risiken können Product Owner dazu beitragen, das Produkt auf Kurs zu halten, die Qualität zu verbessern und unerwartete Probleme zu minimieren. Die Fähigkeit, Risiken erfolgreich zu managen, ist ein Zeichen für eine reife und verantwortungsbewusste Produktmanagement-Praxis und trägt maßgeblich zum Erfolg eines Produkts bei.

 

Exkurs ROAM- Logik

 

Resolved - In dieser Situation sind sich die Mitglieder des Agile Release Trains (ART) einig, dass das identifizierte Risiko keine Bedrohung mehr darstellt. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass sie erfolgreich die auslösende Ursache beseitigt oder die Unsicherheit, die dem Risiko zugrunde liegt, aufgelöst haben.

 

Owned - Wenn ein Risiko während der PI- oder Sprint-Planung oder zu einem anderen Zeitpunkt bei der Identifikation nicht sofort gelöst werden kann, wird es von einem Mitglied des ART übernommen. Dieses ART-Mitglied ist dann verantwortlich dafür, die Untersuchung und Analyse des Risikos voranzutreiben, bis geklärt ist, wie mit diesem spezifischen Risiko umgegangen werden kann und sollte.

 

Accepted - In dieser Kategorie befinden sich Risiken, die potenzielle Probleme darstellen, jedoch vernünftigerweise nicht effektiv gemanagt werden können, da niemand in der ART-Organisation, im Management oder unter den Stakeholdern die Eintrittswahrscheinlichkeit oder die Auswirkungen dieses Risikos wesentlich beeinflussen kann. Dennoch müssen strenge Anforderungen an die Bewertung solcher Risiken gestellt werden. Risiken sollten hierbei immer umfassend analysiert und in kollektiven Diskussionen erörtert werden, bis sie vom ART als tatsächlich nicht behandelbar akzeptiert werden.

 

Mitigated - Bei dieser Option wurde das Risiko gemeinschaftlich analysiert und risikominimierende Maßnahmen wurden entwickelt und festgelegt. Durch diese Maßnahmen wird entweder die Eintrittswahrscheinlichkeit oder die Auswirkungen des Risikos verringert, möglicherweise sogar beides. Die Identifikation und Formulierung allein reichen jedoch nicht aus. Nach der Initiierung und Umsetzung ist es entscheidend sicherzustellen, dass die ergriffenen Maßnahmen den gewünschten Effekt tatsächlich erzielen, indem sie überwacht und überprüft werden.

 

Text / Grafiken: Cecilia Bernhardt
Bild: Adobe Stock / Mbolina