Gastbeitrag: Lieferkettengesetz

 

"Liebe Lesende (m/f/d),

 

heute möchte ich mich mit Ihnen dem aktuell diskutierten #Lieferkettengesetz widmen.

 

Ein solches Gesetz lässt die nationalen Wirtschaftsaffinen vermutlich mit dem Kopf schütteln. Bei den nachhaltig Interessierten wird es wohl ein ebenso großes Kopfnicken bewirken.

 

Was steckt aber konkret hinter dem Gesetzesbegehren und warum es ein schüttelndes Kopfnicken sein könnte, möchte ich Ihnen jetzt eröffnen:

Stellen Sie sich vor, sie gehen zum Arzt, der Ihnen ein Muttermal entfernen soll. Sie sprechen über den Eingriff, also was, wie gemacht wird und warum es getan werden soll. Er erwähnt aber nichts von Risiken oder Nebenwirkungen, die damit verbunden sein können. Sie werden vermutlich ein durchweg positives Gefühl haben und unterziehen sich dem Eingriff. Nach der OP stellen sie fest, dass die Haut spannt und die zurückgebliebene Narbe für sie schlimmer ist, als es das Muttermal war. Hätte Ihnen der Arzt die komplette Transparenz über diesen Eingriff ermöglicht, hätten Sie die OP dennoch gemacht? Vielleicht, vielleicht auch nicht, aber mit einem entscheidenden Unterschied. Sie wussten worauf Sie sich einlassen und hatten das Gefühl ganzheitlich informiert zu sein, um daraus die für sie richtige Entscheidung zu treffen.

 

Übertragen wir dieses Gedankenspiel auf eine Kaufentscheidung oder ein Produkt im Allgemeinen, dann bedeutet das, sie gehen in ein Geschäft und möchten ein Produkt kaufen. Sie interessieren sich für ein Bestimmtes und fragen nach. Z. B. wie es produziert wurde, was es besonders macht und was wohl die Schwachstelle oder das Negative daran sei. Der Verkäufer wird ihnen die technischen Details vermutlich sehr gut beschreiben können. Den Hersteller, woher es als Gesamtprodukt stammt.

 

Sie möchten aber wissen unter welchen Bedingungen es gefertigt und welche Materialien es beinhaltet. An diesem Punkt wird es schwierig. Sowohl für den Verkäufer, als auch für den Hersteller/Inverkehrbringer. Er wird sie eventuell auf das Internet verweisen, aber die Transparenz und Information, die sie sich an Ort und Stelle wünschen, kann nicht gewährleistet werden.

 

Genau an dieser Stelle soll das Lieferkettengesetz ansetzen. Es geht um Transparenz, es geht um Standards, die nicht nur für das Land, wo ein Produkt in Verkehr gebracht wird, gelten, sondern auch entlang des gesamten Herstellungsprozesses.

 

Hier beginnt der Kritiker und Wirtschaftsbefürworter das Kopfschütteln. Mit dem Argument, wir, als deutsche Bürger können nicht für staatliche Umstände und gesetzliche Rahmenbedingungen verantwortlich sein und diese finanzieren. Wir, im Sinne von staatlichen Institutionen oder NGOs können nur beratend und unterstützend tätig werden.

 

Der Kritiker des Kritikers wird darauf entgegnen, dass ein Hersteller für das gesamte Produkt verantwortlich ist, unabhängig von verschiedenen Ländern und verschiedenen Gesetzeslagen. Der umweltbewussteste und menschenrechtswahrendeste Standard sei stets anzuwenden, losgelöst von wirtschaftlichen Profiten oder Renditen. Ein weiterer, in Aussicht zu stellender Punkt, ist die Ungewissheit der Sub-und Sub-Sub-Zulieferer, dass die Transparenz zu Materialien, Prozess und Technologie durch beispielweise die OEMs missbraucht werden könnte, um Preise zu drücken oder spezielles Know-How zu erlangen. Diese Option des Missbrauchs muss in jedem Fall durch das Gesetz ausgeschlossen und im auftretenden Falle entsprechend sanktioniert werden, sodass die Position der Zulieferer gestärkt wird. Nur eine Kooperation auf Augenhöhe ermöglicht den effektiven und erfolgreichen Informationsaustausch, welcher die Grundlage für das Lieferkettengesetz bildet.

 

Immer unter dem Motto: Kein emotionaler Aktionismus, sondern rationale Konzepte im Einklang mit den gesellschaftlichen Situationen und den Nachhaltigkeitsstrategien der jeweils lieferkettenbeteiligten Unternehmen und  Staaten.“

 

 

Text by Nico Thomas, Ingolstadt 20.07.2020; Bild von Jason Goh auf Pixabay

 

 

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